Geplante Schließungen von Gerichten in Schleswig-Holstein: Bedrohung für den Rechtsstaat und den Zugang zum Recht
Die Landesjustizministerin Prof. Dr. Kerstin von der Decken (CDU) hat kürzlich weitreichende Pläne zur Reform des Justizsystems in Schleswig-Holstein vorgestellt, die auf massive Kritik stoßen. Geplant ist die Schließung aller Sozial- und Arbeitsgerichte sowie eine drastische Reduzierung der Amtsgerichte im Land. Diese Maßnahmen könnten die Zugänglichkeit zur Justiz erheblich beeinträchtigen und den Rechtsstaat in seiner Funktionsweise gefährden.
Drastische Veränderungen im Justizwesen
Ende September gab die Ministerin bekannt, dass alle derzeit bestehenden Sozialgerichte (vier) und Arbeitsgerichte (fünf) geschlossen und in einem Zentralgericht zusammengeführt werden sollen. Zusätzlich ist vorgesehen, die Anzahl der Amtsgerichte von 22 auf 15 zu reduzieren, sodass in jedem Kreis nur noch ein Amtsgericht bestehen bleiben soll. Diese Entwicklungen kommen überraschend, da noch kurz vor der Ankündigung von keiner Schließung die Rede war. Die Reaktionen der Berufsverbände sind entsprechend verärgert und ablehnend.
Die Anwaltsschaft sieht in diesen Plänen nicht nur eine Bedrohung ihrer Arbeitsbedingungen, sondern auch ein gefährliches Signal an die Öffentlichkeit. Der Abbau von Gerichten würde den Zugang zum Recht für Bürgerinnen und Bürger erheblich erschweren. Die Frage, die sich stellt, ist, ob jemand bereit ist, die hohen Fahrtkosten für sich und seinen Anwalt aufzubringen, um vor Gericht zu ziehen, wenn die Gerichte weiter entfernt sind.
Folgen für die Rechtslandschaft und die Justizbeschäftigten
Die Ministerin versichert, dass die Zusammenlegung der Gerichte alle Arbeitsplätze in der Justiz erhalten soll. Doch die Realität könnte anders aussehen. Viele Beschäftigte, insbesondere Halbtagskräfte, könnten Schwierigkeiten haben, ihre Arbeitsplätze zu erreichen. Zudem stellt sich die Frage, ob die Justiz durch diese Reformen zu einem attraktiveren Arbeitgeber wird.
Ein weiterer Aspekt ist die Gefährdung der Fachanwaltsschaft vor Ort. Anwälte könnten sich gezwungen sehen, ihre Schwerpunkte zu verlagern, da die Präsenz bei Gerichtsterminen mit hohen Anfahrtszeiten verbunden ist. Videoverhandlungen als Alternative stoßen an ihre Grenzen, insbesondere bei Zeugenvernehmungen und Vergleichsverhandlungen, die oft nicht adäquat per Video durchgeführt werden können.
Die Schließung von Gerichtsstandorten könnte auch das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat gefährden. Wenn der Zugang zur Justiz erschwert wird, sinkt die Akzeptanz und Wahrnehmung der Gerichte als Ansprechpartner für rechtliche Anliegen. Die Gefahr besteht, dass der Rechtsstaat in der Wahrnehmung der Bevölkerung zu einer abstrakten Institution wird, die nicht mehr greifbar ist.
Die Ankündigung von Prof. Dr. Kerstin von der Decken hat bereits Kritik vom Deutschen Anwaltverein (DAV) hervorgerufen, der in einer Pressemitteilung betont, dass der Zugang zum Recht Gerichte in der Fläche benötigt. Der Rechtsstaat ist ein kostbares Gut, und die Investition in funktionierende und erreichbare Justizinstitutionen ist unerlässlich für die Stabilität und das Vertrauen in unser Staatsgefüge.