Wirecard-Skandal: KapMuG-Verfahren zur Klärung von Schadensersatzansprüchen startet am Bayerischen Obersten Landesgericht
Trotz der Insolvenz von Wirecard vor viereinhalb Jahren bleibt der Fall für viele Anleger brisant. Zehntausende Investoren, die durch den Skandal rund um das Unternehmen Geld verloren haben, haben sich zusammengeschlossen, um Schadensersatz zu fordern. Am Freitag beginnt vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht (BayObLG) ein Kapitalanleger-Musterverfahren (KapMuG), das grundlegende Fragen zur Verantwortung und Haftung im Wirecard-Komplex klären soll.
Verfahren vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht
Das Verfahren, das unter dem Aktenzeichen 101 Kap 1/22 geführt wird, findet aus Platzgründen in der Wappenhalle in München-Riem statt. Der Senat unter Vorsitz von Andrea Schmidt wird über einen Vorlagebeschluss des Landgerichts München I entscheiden, der seit Mai 2020 auf Initiative der Kanzlei TILP beantragt wurde. Rund 19.000 Aktionäre haben sich dem Verfahren angeschlossen, während über weitere 8.500 Klagen von Wirecard-Anlegern erst nach Abschluss des Musterverfahrens entschieden werden soll. Das zentrale Anliegen des Verfahrens ist die Klärung, wer für den Niedergang von Wirecard verantwortlich ist und wer für die entstandenen Schäden haftet.
Die Anleger richten ihre Hoffnungen vor allem auf die Wirtschaftsprüfgesellschaft EY, die die Bilanzen von Wirecard testiert hat. Ihnen wird vorgeworfen, bei der Prüfung der Bilanzen fahrlässig oder vorsätzlich gegen ihre Pflichten verstoßen zu haben. Sollte das Gericht zu dem Schluss kommen, dass die Bestätigungsvermerke von EY als Kapitalmarktinformationen gelten und Anleger dadurch in die Irre geführt wurden, könnte dies weitreichende Konsequenzen für die Prüfungsgesellschaft haben.
Optimismus und Skepsis unter den Beteiligten
Kurt Ebert, der als Musterkläger auftritt und nach eigenen Angaben mehr als eine halbe Million Euro in Wirecard investiert hat, wird von der Münchener Kanzlei Mattil und Dr. Elmar Vitt vertreten. Rechtsanwalt Peter Mattil zeigt sich optimistisch und rechnet mit einem zügigen Urteil innerhalb der kommenden Jahre. In seiner Einschätzung hat die Kanzlei umfassende Begründungen für die Pflichtverletzungen von EY vorgelegt.
Im Gegensatz dazu äußern Aktionärsschützer wie die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) Bedenken bezüglich der langwierigen Verfahrensdauer. SdK-Vorstandsmitglied Marc Liebscher kritisiert die Verzögerungen und befürchtet, dass die Kläger durch die Komplexität des Verfahrens demotiviert werden sollen. Das Gericht hingegen betont die Herausforderungen, die sich aus der Vielzahl der Beteiligten und Forderungen ergeben, und erwartet eine Verfahrensdauer von mehreren Jahren.
Die nächsten Schritte im Verfahren werden entscheidend sein, um die Ansprüche der geschädigten Anleger zu klären und die Verantwortlichkeiten im Wirecard-Skandal festzulegen.