„Rechtsstaatlichkeit in Europa: Herausforderungen und Perspektiven beim 4th Open Summit des Weimarer Dreiecks“
Beim 4th Open Summit des Weimarer Dreiecks in Berlin kamen Vertreter der Anwaltskammern aus Deutschland, Frankreich und Polen zusammen, um über die aktuellen Herausforderungen der Rechtsstaatlichkeit in Europa zu diskutieren. Unter dem Titel „Legal professionals in the Rule of Law: Preventive and restore actions in Europe“ beleuchteten die Teilnehmer die bedrohlichen Entwicklungen in ihren Ländern und die Notwendigkeit, die Unabhängigkeit der Justiz zu schützen.
Historische Relevanz und gegenwärtige Bedrohungen
Die Bedeutung der Veranstaltung wurde von Dr. Angelika Schlunck, Staatssekretärin im Bundesjustizministerium, in ihrer Eröffnungsrede unterstrichen. Sie wies darauf hin, dass Polen und Frankreich eine besondere historische Rolle in der Entwicklung demokratischer Verfassungen in Europa spielen, da sie die Heimatländer der ersten beiden demokratischen Verfassungen in den 1790er-Jahren waren. Schlunck betonte die internationalen Bedrohungen für die Rechtsstaatlichkeit, insbesondere durch die politische Beeinflussung der polnischen Gerichte und die Schwächung des israelischen Verfassungsgerichts. In diesem Kontext hob sie hervor, wie wichtig die Bemühungen um eine resilientere Justiz sind, für die der Deutsche Anwaltverein (DAV) eine zentrale Rolle spielt.
Die Herausforderungen, vor denen die Rechtsstaatlichkeit in Polen steht, wurden von Mikołaj Pietrzak, dem Dekan der Warschauer Anwaltskammer, deutlich gemacht. Er warnte, dass es viel einfacher sei, den Rechtsstaat zu beschädigen, als ihn wiederherzustellen. Diese Wiederherstellung, so berichtete Dariusz Mazur, stellvertretender Justizminister Polens, scheitere häufig an den Veto-Rechten des polnischen Präsidenten und des Verfassungsgerichtshofs.
Die Diskussionen um die Legitimität des polnischen Verfassungsgerichtshofes nahmen einen zentralen Platz ein. Dorota Zabłudowska von der polnischen Richtervereinigung „Iustitia“ argumentierte, dass alle polnischen Richter die Verfassung direkt anwenden müssen, unabhängig von der Entscheidung des als illegitim angesehenen Verfassungsgerichtshofes. Der polnische Botschafter in Berlin, Jan Tombiński, unterstrich die Bedeutung, das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz zurückzugewinnen.
Lehren aus der Vergangenheit und zukünftige Herausforderungen
Im zweiten Panel der Veranstaltung wurde die Situation in Deutschland und Frankreich thematisiert. Hier wurden die zunehmenden autoritären Tendenzen in beiden Ländern diskutiert. Magdalena Bainczyk, Professorin an der Modrzewski-Universität, gab einen umfassenden Überblick über die negativen Entwicklungen in Polen seit den umstrittenen Richterwahlen 2015. Der DAV-Vizepräsident Dr. Ulrich Karpenstein betonte, dass Deutschland Lehren aus diesen Erfahrungen ziehen müsse. Er verwies auf ein bevorstehendes Gesetzesvorhaben zur Stärkung des Bundesverfassungsgerichts.
Im Gegensatz dazu äußerte Patrice Spinosi, Anwalt am Conseil d’État in Frankreich, ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Widerstandsfähigkeit des französischen Verfassungsgerichts. Sollte eine autoritäre Kraft die nächsten Wahlen gewinnen, könnte dies die Unabhängigkeit des Gerichts erheblich gefährden.
Die Herausforderungen für die Rechtsstaatlichkeit in Europa sind vielfältig und erfordern ein gemeinsames Handeln. Olivier Laude warnte, dass die Feinde der Demokratie unerbittlich sind. Die Rolle der Anwaltschaften sei dabei von entscheidender Bedeutung, besonders in Zeiten, in denen die Unabhängigkeit der Justiz weltweit unter Druck steht. Der DAV-Vizepräsident Stefan von Raumer schloss die Veranstaltung mit dem Hinweis, dass diese Herausforderungen nicht nur in Krisenregionen, sondern auch in westlichen Staaten wie den Niederlanden zu beobachten sind.