4th Open Summit des Weimarer Dreiecks: Herausforderungen der Rechtsstaatlichkeit in Europa
Die aktuelle Lage der Rechtsstaatlichkeit in Europa ist alarmierend. Bei dem 4th Open Summit des Weimarer Dreiecks, der am 4. Oktober in Berlin stattfand, diskutierten Vertreter der Anwaltschaften aus Deutschland, Polen und Frankreich über die Herausforderungen und Bedrohungen, denen die Justiz in diesen Ländern ausgesetzt ist. Unter dem Titel „Legal professionals in the Rule of Law: Preventive and restore actions in Europe“ wurde die Bedeutung einer unabhängigen Justiz und die Notwendigkeit von Reformen in Zeiten politischer Instabilität hervorgehoben.
Historische Relevanz und aktuelle Herausforderungen
Die Eröffnungsrede von Dr. Angelika Schlunck, Staatssekretärin des Bundesjustizministeriums, betonte die historische Bedeutung Polens und Frankreichs als Wiege der ersten demokratischen Verfassungen Europas in den 1790er-Jahren. Schlunck wies darauf hin, dass die Bedrohungen für die Rechtsstaatlichkeit nicht nur in Polen, wo politische Einflüsse die Justiz untergraben, sondern auch in anderen Ländern wie Israel spürbar sind. Die Notwendigkeit, eine widerstandsfähigere Justiz zu schaffen, wurde von DAV-Vizepräsident Stefan von Raumer unterstrichen, der anmerkte, dass das bestehende System in Deutschland noch nicht ausreichend stabil sei.
Die Situation in Polen ist besonders besorgniserregend. Mikołaj Pietrzak, Dekan der Warschauer Anwaltskammer, erläuterte den langwierigen Prozess der Wiederherstellung des Rechtsstaats nach der Abwahl der nationalkonservativen PiS-Regierung. Reformversuche scheitern oft am Veto des polnischen Präsidenten Duda und am Verfassungsgerichtshof, was die Komplexität der Herausforderungen verdeutlicht. Dorota Zabłudowska von der Richtervereinigung „Iustitia“ stellte klar, dass die Entscheidungen des als illegitim betrachteten Verfassungsgerichtshofes bei Urteilen nicht berücksichtigt werden müssten.
Lehren aus der Vergangenheit und Ausblick auf die Zukunft
Im zweiten Panel des Summits wurden die Erfahrungen Deutschlands und Frankreichs in Bezug auf die politische Einflussnahme auf die Justiz diskutiert. Magdalena Bainczyk, Professorin an der Modrzewski-Universität, gab einen Überblick über die problematischen Entwicklungen in Polen seit den Richterwahlen 2015. Im deutschen Bundestag steht kurz nach dem Summit ein Gesetzesvorhaben zur Stärkung des Bundesverfassungsgerichts auf der Agenda, welches die Resilienz des Gerichts verbessern soll.
Die Situation in Frankreich bleibt kritisch. Patrice Spinosi, Anwalt am Conseil d’État, äußerte Bedenken hinsichtlich der Widerstandsfähigkeit des Verfassungsgerichts gegen mögliche politische Eingriffe. Die Besetzung von Richterposten könnte durch autoritäre Kräfte gefährdet werden, was die Unabhängigkeit der Justiz in Zukunft bedrohen könnte.
Olivier Laude warnte abschließend vor den unerbittlichen „Feinden der Demokratie“ und forderte ein Umdenken in der EU, um sowohl mit neuen Bewerbern als auch mit bestehenden Mitgliedstaaten, die rechtsstaatliche Prinzipien missachten, umzugehen. Die Rolle der Anwaltsschaft sei dabei von zentraler Bedeutung, nicht nur in Krisenregionen, sondern auch in etablierten Demokratien.